Ram, der Ingenieur |
Da fehlen noch ein paar Dichtungen - Das Wasserkraftwerk |
Donnerstag sind wir endlich, im dritten Anlauf mit Ram, einem Ingenieur aus Chennai, in das Dorf Bodisil gefahren. Dort ist in den letzten Monaten ein Wasserkraftwerk entstanden, was dem Dorf Zugang zu elektrischem Strom beschert.
Mit Ram haben wir das erste Mal einen Brahmanen in Indien getroffen. Ein Mensch aus der höchsten Kaste der Hindus, der Gelehrtenkaste. Erfahren haben wir das nur, weil er das erzählt hat.
Einbilden tut er sich darauf nichts, was durchaus Konfliktpotenzial hätte, wenn er das täte, solange er auf unserem Campus wohnt, da hier viele Dalits (niedrigste Kaste) arbeiten. Er müsste sich ungefähr zehnmal am Tag waschen. Er dürfte traditionell betrachtet noch nicht mal die Schatten der Dalits kreuzen. Das hätte bedeutet: ab unter die Dusche, aber zackig.
Aber so ist Ram nicht drauf. Er kommt ja schließlich hierher, um Menschen, die ganz gewiss nicht seines Schlages sind, Strom zu geben.
Aber so ist Ram nicht drauf. Er kommt ja schließlich hierher, um Menschen, die ganz gewiss nicht seines Schlages sind, Strom zu geben.
Womit er ein Problem hat und hatte ist die indische Politik und mein Carromspielstil, aber mit letzterem muss wohl auch er als Brahmane leben.
Absolut resigniert erzählte er, die Politik in Indien sei den Menschen völlig fern, korrupt (man betrachte das Paket, dass man mir schickte) und zu lahm. Wenn man ehrliche Kritik ausüben würde, sei man gleich Antipatriot.
Patriot eines Landes mit 18 verschiedenen Amtssprachen und noch mehr verschiedenen Kulturen zu sein, halte ich sowieso für eine durchaus spannende Angelegenheit.
Irgendwann lief das dann darauf hinaus, dass die Politiker alle schlecht seien. Die These
kenne ich schon aus der geliebten Heimat.
Politikverdrossenheit ist also definitiv nicht nur in Deutschland ein Thema.
Trotz dieser bahnbrechenden Weisheit am Schluss war das Gespräch ziemlich interessant. Er ist der Meinung, wie nicht wenige Menschen hier, dass die Maoisten wenigstens etwas machen, und sich für die Schwachen einsetzen. Ich merkte langsam, die Gesellschaft hat hier längst nicht bei jedem das Image der bösen Buhmänner.
Den Namen der „Piraten“ in Deutschland fand er klasse.
Bodisil war auch nicht so klasse für den Herrn Ingenieur. Eigentlich wollten wir schon am Sonntag in das Dorf fahren, aber weil einige Arbeiter keine Lust hatten, das zu machen, was sie sollten, ging es erst am Donnerstag los.
Der Weg nach Bodisil war ein kleines Abenteuer und nur mit Jeep zu meistern. Wir führen durch große Schlammpfützen, über Hänge, Schotterwege, und durchquerten kühle Bäche, die aus den Bergen kamen. Wahres Offroadfahren, wie es sich jeder Großstadtgeländewagen nur wünschen würde.
Die Landschaft war absolut wunderschön. Bergig, dem saftigsten grün, dass wir je gesehen haben, stand immer die rote Erde als Kontrast gegenüber. Die Reisterrassen erstreckten sich manchmal fast bis zu den Spitzen der Hügel, aus denen große Gesteinsbrocken wuchsen.
Die Menschen aus den Dörfern folgen einer Naturreligion, und sind der Überzeugung, dass in jedem Berg eine Gottheit wohnt.
Wenn man diese Berge dann wirklich sieht, erscheint einem das gar nicht mal so abwegig.
Durch so eine Landschaft mit unserem Bolero zu heißen war einfach mal klasse. Und ordentlich durchschüttelnd.
Als wir dann im Generatorraum ankamen, sah man, dass sämtliche Dichtungen für die Rohre fehlten, und so das ganze Ding wieder geöffnet werden musste. Es schien, als würden sich die Arbeiten bis in die späten Abendstunden erstrecken, was für uns dann ein verfrühtes Adieu-Bodisil bedeutete, und wir schon am Mittag wieder fahren mussten.
Die Maoisten hatten es also mal wieder geschafft, unseren Tag nett mitzugestalten.
Ich fand das absolut uncool, dass wir nur und ausschließlich wegen unserer Mangelhautpikmentierung die Baustelle wieder verlassen durften.
Dieses Mal konnten wir also nicht dabei sein, wenn es das erste Mal Licht wird.
Hier in Indien merke ich das erste Mal in meinem Leben so richtig, was es bedeutet ein hundertprozentiger Ausländer und Minderheit zu sein. Hier ein Weißer zu sein.
Im Laufe des Tages habe ich einen anderen Aspekt der ordentlich frühen Mist-ich-bin-weiß-Abreise erkannt. Zum einen käme das mal gar nicht gut an, wenn wir von ein paar Maoisten auf eine nette, unfreiwillige Reise in den Wald eingeladen werden würden (was ich mir nicht vorstellen kann, da wir bei IRDWSI arbeiten und bis jetzt auch keine Korruption betrieben haben), IRDWSI trägt die Verantwortung.
Zum anderen, und das ist mir viel wichtiger, lässt es in einem den Respekt vor der anderen Kultur wieder aufwachen, den man nie verlieren sollte, wenn man so weit weg von zu Hause ist.
Auch wenn wir alle schön aus Kohlenstoff bestehen, gleich sind wir nicht auf diesem Planeten. Manchmal denke ich: Ach, wir sind doch eigentlich alle Brüder und Schwestern und teilen uns Mama und Papa, um dann im nächsten Moment wieder zu einem sehr geistreichen Schluss zu kommen: Nö.
Ein ambivalentes Verhältnis.
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